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„Wir wollen die Vielfalt in der Musiklandschaft fördern“

Die Initiative Musik feiert im Juni ihren 15. Geburtstag. Das ist für uns Anlass genug, dort einmal höflich nachzufragen, wie sich die Künstler*innenförderung seit ihrer Gründung entwickelt hat und wo es noch hingehen soll.

Mit uns gesprochen haben die Juryvorsitzenden Antje Lange und Geoffrey Vasseur sowie Robert Schulz, der das Team der Künstler*innenförderung leitet. 

Fotoleiste Interview-Initiative Musik
Antje Lange (Foto: Fotoflexx, Bia Quattromini), Geoffrey Vasseur (Foto: Denise Nietze) und Robert Schulz (Foto: Christoph Petras).

 

GVL: Die Künstler*innenförderung gehört zu den Grundpfeilern der Initiative Musik und war von Anfang an ein zentraler Förderbaustein. Robert, wie hast du die Entwicklung des Programms erlebt?

Robert Schulz: Uns ist es damit über die Jahre hinweg gelungen zu beweisen, dass öffentliche Förderung und Musikwirtschaft, obwohl sie eigentlich fundamental unterschiedlich arbeiten, hervorragend zusammen funktionieren können. Natürlich steckt einiges an Aufwand hinter einem Förderantrag, den möchte ich gar nicht kleinreden – aber er zahlt sich aus für den Erfolg der Musiker*innen, deren Produktionen, Veröffentlichungen und Konzerte wir unterstützen. 

Das hat sich immer weiter herumgesprochen, so dass wir von Jahr zu Jahr mehr Anträge erhalten haben. Auf der anderen Seite hat die Kulturpolitik den Erfolg der Förderungen honoriert und wir sind dankbar, dass uns nach und nach mehr Budget für das Programm anvertraut wurde. 

Mit dem Rettungsprogramm Neustart Kultur, an dem wir uns seit dessen Start im Sommer 2020 beteiligt haben, nahmen der finanzielle Rahmen und die Anzahl der Anträge und Förderungen nochmal ganz neue Dimensionen an. Aber auch nach der Pandemie ist angesichts von Inflation und dem auch noch darüber hinaus gestiegenen Kostendruck in der Veranstaltungsbranche der Bedarf an finanzieller Unterstützung für Musiker*innen deutlich höher als zuvor.

2008 – im ersten Jahr – wurden 61 Künstler*innen gefördert. Wo stehen die Künstler*innen von damals heute?

Robert Schulz: Mit Bosse, Prinz Pi und Johannes Oerding fallen mir aus dem Stegreif drei damals von uns geförderte Künstler ein, die in den folgenden Jahren mit ihren Alben die Spitze der Charts erobern konnten. Natürlich freuen wir uns sehr, wenn wir Musiker*innen auf dem Weg dahin mit unserem Beitrag unterstützen konnten. Seither haben wir auch noch so einige andere Karrieren in diese Richtung anschieben können.

Aber es geht nicht vorrangig darum, Bands in die oberen Ränge der Charts zu verhelfen – wenn Künstler*innen es schaffen, von ihrer Musik leben zu können, ist das bereits ein wichtiger Erfolg. Ganz viele der im ersten Jahr unterstützten Künstler*innen sind nach wie vor sehr umtriebig und begeistern alte und neue Fans, wie etwa Perera Elsewhere, damals Frontfrau von Jahcoozi, Barbara Morgenstern, Daniel Benyamin, Get Well Soon oder auch das Andromeda Mega Express Orchestra.

Uns ist es über die Jahre hinweg gelungen zu beweisen, dass öffentliche Förderung und Musikwirtschaft, obwohl sie eigentlich fundamental unterschiedlich arbeiten, hervorragend zusammen funktionieren können.

Was macht die Künstler*innenförderung heute aus?

Antje Lange: Die Künstler*innenförderung hilft Musikschaffenden direkt. Heute sind viele Künstler*innen – gerade am Beginn ihrer Karrieren – vollkommen auf sich selbst gestellt. Sie können sich zu Beginn ihrer Karrieren nicht auf die Hilfe von Agenten, Managern oder Record Companies stützen, sondern müssen zunächst einmal selbst ihre Karriere aufbauen. Das ist ohne staatliche Förderung oft nicht möglich. Die Förderung der Initiative Musik ermöglicht es so vor allem jungen Bands ihre Studioaufnahmen, das Marketing für die ersten Veröffentlichungen, die Produktion ihrer Tonträger sowie die ersten Schritte im Livebereich zu finanzieren. Die Künstler*innenförderung kann aber auch in Anspruch genommen werden, um für Künstler*innen, die für sich bereits ein Netzwerk an Partnern etabliert haben, eine notwendige Zusatzfinanzierung zu gewährleisten. 

Was ist der Jury bei der Auswahl der Projekte besonders wichtig?

Antje Lange: Das wichtigste Kriterium für die Jury ist natürlich die Musik – glauben wir daran, dass eine Band damit ein Publikum erreichen und an sich binden kann? Betrachtet werden vor allem das Songwriting, die musikalische Darbietung und die Eigenständigkeit der Musik. Für die Jury ist aber auch wichtig, ob die Musik in einer adäquaten Art vermarktet werden soll. Es werden entsprechend die geplanten Marketing- und Promotion-Maßnahmen begutachtet. Weiterhin erwartet die Jury, dass bereits erste Schritte zum Erreichen einer minimalen Sichtbarkeit eigenständig unternommen wurden und dass die Künstler*innen selbst aktiv an ihrer Karriere arbeiten. 

Könnt ihr uns einen Einblick in eine Jury-Sitzung geben? 

Geoffrey Vasseur: Die Jury wird derzeit angesichts der mehreren hundert Anträge pro Runde in mehrere Gruppen mit Genre-Schwerpunkten aufgeteilt, die jeweils in Sitzungen erste Förderempfehlungen formulieren.  Anschließend berät die gesamte Jury in einer gemeinsamen Sitzung über das Gesamtergebnis der jeweiligen Förderrunde. Das heißt, alle Anträge kommen dann für alle auf den Tisch und strittige Anträge aus den Gruppen können abschließend im großen Gremium besprochen werden. 

Diese Aufteilung klingt etwas sperrig, aber sie hat den Vorteil, dass das breite Spektrum an Expertise und Wissen der fast zwanzig Jurymitglieder so am besten zur Geltung kommt. Bei manchmal fast tausend Anträgen, darunter viele Newcomer*innen, ist es unmöglich, dass ein Juror alle Künstler*innen kennt oder sich mit allen Genres oder Ebenen der Musikwirtschaft und deren speziellen Bedürfnisse auskennt. In der Summe der Juror*innen und der vielen Besprechungen kommt aber ein guter Überblick zustande. 

Wie einigt Ihr euch und wann wird vielleicht auch mal gestritten?

Geoffrey Vasseur: Es wird bei den Sitzungen viel diskutiert, klar. Gestritten weniger. Allgemein zeigt sich, dass Qualität und Erfolgsperspektive, wenn sie in einem Antrag oder Projekt vorhanden sind, von den meisten auch gleich erkannt und unterstützt werden. Wenn der Ausgang nicht so eindeutig ist, können einzelne Juror*innen aus der eigenen Erfahrung oder Expertise heraus dem unschlüssigen Rest zu einer Entscheidung verhelfen. Da hilft die breite Aufstellung dieser Jury ungemein, die sich damit mehr gegenseitig ergänzt, als dass sie zu Streitigkeiten führen würde. 

Welche Schwerpunkte sollen zukünftig in der Künstler*innen-Förderung gelegt werden?

Robert Schulz: Die Künstler*innenförderung ist angesichts der auf nicht absehbare Zeit spürbar schwierigeren Bedingungen im Livegeschäft sowie der Vergütungssituation im Streaming, zu dem hin sich die Musiknutzung immer weiter verlagert, ein effektives Instrument, um Musiker*innen auf ihrem Karriereweg unmittelbar zu unterstützen. 

Wir möchten dabei auf jeden Fall die Flexibilität des Programms bewahren, um noch mehr Vielfalt in der Musiklandschaft fördern können. Und um dabei weiterhin Musiker*innen auf verschiedenen Stufen der Karriereleiter supporten zu können – von Nachwuchsbands, die am inländischen Markt Fuß fassen, bis hin zu etablierteren Acts, die ein noch größeres Publikum erreichen können.

Antje Lange (Musikmanagerin) und Geoffrey Vasseur (Clubbetreiber/Musiker) bilden seit 2022 gemeinsam den Juryvorsitz der Künstler*innenförderung der Initiative Musik. Das beliebte Förderangebot, in dem seit 2008 bereits knapp 5.000 Projekte finanziell unterstützt wurden, richtet sind an professionell arbeitende Musiker*innen. Gefördert werden insbesondere Nachwuchsmusiker*innen z.B. bei Produktion und Aufnahme, Videos und Contentproduktion, sowie bei Touren und Konzerten. Die unabhängige Fachjury, bestehend aus Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Musikbranche und -szene, entscheidet über die eingereichten Projektanträge. Aufgrund der aktuell sehr hohen Anzahl an Anträgen wird die Jury zusätzlich durch Gastjuror*innen erweitert. Die Mitglieder der Jury werden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die Gesellschafter der Initiative Musik berufen. Robert Schulz arbeitet seit 2008 für die Initiative Musik. Seit 2019 leitet er das Team der Künstler*innenförderung.

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Antje Lange (Foto: Fotoflexx, Bia Quattromini), Geoffrey Vasseur (Foto: Denise Nietze) und Robert Schulz (Foto: Christoph Petras).