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"Die Musikwirtschaft ist viel enger verflochten"

3 Fragen an Johanna Neuhoff von Oxford Economics zur Musikwirtschaftsstudie 2024.

Die Studie zur Musikwirtschaft in Deutschland 2024 wurde vom volkswirtschaftlichen Beratungsunternehmen Oxford Economics unter der Leitung von Johanna Neuhoff durchgeführt. Wir haben mit ihr über die aktuellen Studienergebnisse und die methodischen Herausforderungen einer Untersuchung der Musikwirtschaft gesprochen.

Im November wurde nach 2015 und 2020 die dritte Auflage der Musikwirtschaftsstudie veröffentlicht. Was sind die zentralen Entwicklungen der Musikwirtschaft in diesen fast 10 Jahren?

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Johanna Neuhoff von Oxford Economics hat die Studie im Auftrag der Musikbranche federführend durchgeführt.

Die deutsche Musikwirtschaft hat sich in den letzten zehn Jahren als gewichtiger und dynamisch wachsender Wirtschaftssektor etabliert, wie die drei Auflagen der Musikwirtschaftsstudie eindrucksvoll belegen. Besonders in Zeiten der Corona-Pandemie, die der Branche erhebliche Einbußen bescherte, stand die Musikwirtschaft vor großen Herausforderungen. Doch im Jahr 2023 konnte sie erstmals ihr Vor-Corona-Niveau nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen. Trotz der Umsatzzuwächse in der Musikwirtschaft gibt es aber auch einen Wermutstropfen, denn Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Ein wesentlicher Grund sind steigende Kosten, beispielsweise für Mieten, die den Gewinn schmälern und die wirtschaftliche Lage der Branche kompliziert gestalten. Nebenbei werden die Einkommensprofile diverser; kaum jemand in der Musikbranche ist nur noch in einem Teilbereich aktiv. Tatsächlich geben 85 Prozent der befragten Unternehmen und Selbstständigen mehr als einen Tätigkeitsschwerpunkt an.

Welchen methodischen Herausforderungen seid ihr bei eurer Forschung in der Musikwirtschaft begegnet?

Die Musikwirtschaft ist eine der Branchen, die in der amtlichen Statistik nur unzureichend erfasst werden. Auf der Website des Statistischen Bundesamts findet man schnell die Bruttowertschöpfung der Automobilbranche, aber diejenige der Musikwirtschaft werden Sie nicht finden. Warum ist das so? Viele Tätigkeitsbereiche der Musikwirtschaft werden als Teil von größeren Wirtschaftszweigen erfasst. Auch die vielen Soloselbstständigen berücksichtigt die amtliche Statistik nicht. Dies reduziert die Aussagekraft von Studien, die allein auf diese Zahlen aufbauen. Wir haben deshalb die Informationen der amtlichen Statistiken mit einer Online-Umfrage von immerhin 1.627 Selbstständigen und Unternehmen ergänzt. Außerdem haben wir Daten der Künstlersozialkasse, aus Geschäftsberichten von Musikunternehmen und Branchenstatistiken herangezogen, um die Datenlücke zu schließen. Damit können wir die wirtschaftliche Lage der Selbstständigen und Unternehmen der deutschen Musikwirtschaft umfassend bewerten.

Als Forschungsinstitut untersucht ihr viele Wirtschaftssektoren. Was ist das Besondere an der Musikwirtschaft als Branche?

Im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren ist die Musikwirtschaft viel enger verflochten. Dies kann man sehen, wenn man sich die Beschaffungen, also die Einkäufe von Waren und Dienstleistungen innerhalb der eigenen Branche anschaut. 80 Prozent der Beschaffungen von Musikunternehmen wurden 2023 bei anderen Musikunternehmen getätigt. Zum Vergleich: Der gleiche Anteil liegt in der Autoindustrie bei 44 Prozent und in der Finanzbranche bei 34 Prozent. Die Musikwirtschaft ist also besonders stark vertikal integriert und trägt daher einen beträchtlichen Teil aus sich selbst heraus zur Wirtschaft bei. Die engen Verflechtungen sind auch deshalb wichtig und erwähnenswert, weil sie zeigen, dass man die Musikwirtschaft keine getrennten und unabhängigen Teilbereiche umfasst, sondern in ihrer Gesamtheit funktioniert.

Johanna Neuhoff ist Direktorin für volkswirtschaftliche Beratung und leitet die Arbeit von Oxford Economics in Kontinentaleuropa und speziell Deutschland. Ihr methodischer Arbeitsschwerpunkt liegt in der Anwendung von sowohl quantitativen als auch qualitativen Methoden der Sozialforschung. Thematisch ist Frau Neuhoff breit aufgestellt und ist unter anderem Expertin für Musikwirtschaft, Immobilien- und Bauwirtschaft, Regionalökonomie, Forschung und Innovation sowie Energieeffizienz und Klimapolitik. Sie hat die beiden letzten Studien zur ökonomischen Bedeutung der Musikwirtschaft u.a. im Auftrag der GVL betreut.

Weitere Infos und den Link zur Studie gibt es auch auf unserer Homepage in der Online-News: "Gemeinsam 18 Prozent: Ökosystem Musikwirtschaft wächst".