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„Wir brauchen Nachwuchs für die musikalische Bildung.“

Antje Valentin, Generalsekretärin des Deutschen Musikrats, spricht mit uns im Interview.

Der Deutsche Musikrat (DMR) engagiert sich für musizierende Menschen in Deutschland und ist weltweit der größte nationale Dachverband der Musikkultur. Wir haben mit der neuen Generalsekretärin Antje Valentin nach 100 Tagen im Amt gesprochen.

GVL: Als neue Generalsekretärin des Deutschen Musikrats vertreten Sie seit März dieses Jahres die Interessen von 15 Millionen musizierenden Menschen in Deutschland. Wie ist es, sich in ein solches Amt neu einzuarbeiten?

 

Antje Valentin - J. Konrad Schmidt
Antje Valentin, Generalsekretärin des Deutschen Musikrats. Foto © J. Konrad Schmidt.

Antje Valentin: Sehr umfangreich, spannend und herausfordernd. Ich war mir schon vorher bewusst, dass ich erst einmal ungemein viele Themen und Menschen kennenlernen muss. Gleichzeitig ist der frische Blick von außen auf den Musikrat auch sehr wertvoll. Mein Vorteil ist, dass ich schon über ziemlich ausgedehnte bundesweite Netzwerke in verschiedenen Bereichen verfüge, sodass ich auch viel an Vorhandenes anknüpfen konnte.

Sie selbst sind von Haus aus Musikpädagogin, aber nun mitten in der politischen Arbeit gelandet. Welche Fähigkeiten braucht man in beiden Bereichen?

Kommunikative Fähigkeiten in erster Linie und zudem die Fähigkeit, sich rasch einen Überblick zu verschaffen. Ich muss gestehen, dass ich von jeher den Eindruck habe, dass pädagogische Fähigkeiten sowohl als Leitungsperson als auch im Umgang mit Politik nicht schaden. Denn wie auch beim Unterrichten geht es ja auch im politischen Bereich manchmal darum, in kurzer Zeit umfassende Themen sinnvoll zusammenzufassen und sie anderen nahezubringen. 

Wo sehen Sie die Schwerpunkte der Arbeit des DMR in den kommenden fünf Jahren?

Eine Öffnung in alle Richtungen der Gesellschaft, denn Musik spielt überall eine große Rolle. Insbesondere Zugewanderte haben oft ganz besondere musikalische Mitbringsel im Gepäck, die sowohl musikalisch-künstlerisch als auch für das gesellschaftliche Miteinander viel Potenzial in sich bergen. Hier denke ich in zwei Richtungen: Einerseits sollte es Menschen mit Zuwanderungsgeschichte durchaus erlaubt sein und auch förderfähig sein, ihre Herkunftskultur zu pflegen, andererseits sollte transkultureller Austausch, sollten kulturenübergreifende Kompositionen und Ensemblegründungen sowohl im Amateur – als auch im professionellen Bereich begleitet werden.

Ich muss gestehen, dass ich von jeher den Eindruck habe, dass pädagogische Fähigkeiten sowohl als Leitungsperson als auch im Umgang mit Politik nicht schaden.

Dieses Thema hängt auch eng mit musikalischer Bildung zusammen – meinem eigentlichen Hauptthema. Denn wir sollten auch hier – ganz im Sinne der UNESCO-Konvention für die kulturelle Vielfalt – vielfältiger sein, die globale Musik wertschätzen, das Neue vertiefter zugänglich machen und das eigene Erbe selbstverständlich weiter pflegen. Vor allem aber brauchen wir Nachwuchs für die musikalische Bildung. Und dieser Nachwuchs sollte gerne diverse Hintergründe haben. Aus den Ergebnissen der MULEM-EX-Studie der Bundesfachgruppe Musikpädagogik und der RKM wissen wir, dass das Image musikpädagogischer Tätigkeit ziemlich schlecht ist. Hier möchten wir vom Generalsekretariat aus mit einer Social-Media-Kampagne andere Geschichten erzählen, von Menschen, die glücklich sind mit ihrer Arbeit als Musikpädagog*innen in Schule und Musikschule, von erreichbaren Studienzielen, von der Vielfalt der Studiengänge und der tiefen Befriedigung und Sinnhaftigkeit, die musikpädagogisches Arbeiten ermöglichen kann. Gleichzeitig möchte ich auch politisch dafür kämpfen, dass die Bedingungen für Musikunterricht in Schule und Musikschule besser werden, denn da ist noch einige Luft nach oben.

Seit dem Jahr 1969 unterstützt die GVL den Deutschen Musikrat im Rahmen ihrer kulturpolitischen Zuwendungen. Zugleich ist die GVL selbstverständlich auch Mitglied beim Deutschen Musikrat. Welche Rolle spielt die Partnerschaft mit Organisationen wie der GVL?

Die Zuwendungen sind für uns im Musikrat enorm hilfreich. Sowohl das Generalsekretariat in Berlin ist glücklich über die Unterstützung besonderer Projekte wie den Tag der Musik, den wir seit diesem Jahr mit der Fête de la Musique fusionieren, als auch das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) in Bonn über die dauerhafte Förderung. Darüber hinaus ist die fachliche Mitarbeit durch die GVL in unseren Gremien sehr wertvoll. Hier möchte ich unbedingt Dr. Tilo Gerlach erwähnen, der ja im Bundesfachausschuss Recht den Vorsitz innehat und im Beirat des miz mitwirkt und dabei auch immer offen ist für Fragen jenseits der Tagesordnung – eine großartige Zusammenarbeit!

Antje Valentin ist seit März 2024 Generalsekretärin des Deutschen Musikrates. Sie studierte Instrumentalpädagogik mit Hauptfach Klavier an der Universität der Künste Berlin sowie Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule „Hanns Eisler“. Sie war langjährig als Pianistin und Instrumentalpädagogin tätig, leitete die Musikschule Berlin-Friedrichshain und war stellvertretende Leiterin der Landesmusikakademie Berlin, ehe sie 2011 Direktorin der Landesmusikakademie NRW wurde. Antje Valentin engagiert sich zudem ehrenamtlich in zahlreichen Gremien, u. a. als stellvertretende Vorsitzende des Beirats des Musikinformationszentrums des Deutschen Musikrates.

Der Deutsche Musikrat (DMR) repräsentiert über 100 Organisationen und Dachverbände des professionellen Musiklebens und des Amateurmusizierens einschließlich der 16 Landesmusikräte. Weitere Infos auf musikrat.de.